
Geschichtliches
„Ein kleines Dorf mit großem Namen…..“
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Nur wenige Ortsnamen sind so eng mit der Altertumswissenschaft verbunden, wie der von Jastorf. Die Ausgrabungen des Archäologen Gustav Schwantes auf dem hier im Jahre 1897 entdeckten eisenzeitlichen Gräberfeld haben Forschungsgeschichte geschrieben.
Aus der Bearbeitung des in Jastorf von ihm freigelegten Fundmaterials heraus entwickelte Schwantes eine chronologische Gliederung der gesamten älteren vorrömischen Eisenzeit Norddeutschlands, die er im Jahre 1911 vorlegte.
Seine Einteilung hat noch heute weitgehende Gültigkeit.
Die von ihm formulierten Bezeichnungen der „Jastorf-Zeit“ oder „Jastorf-Kultur“ finden heute nicht allein in Norddeutschland Verwendung, sondern sind auch international als Fachbegriffe geläufig.
Schwantes gehört damit zu den herausragenden Persönlichkeiten der archäologischen Forschungsgeschichte.
Er blieb Jastorf bis zu seinem Tode eng verbunden.
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Gustav Schwantes (1881 - 1960)

Die Jastorf Kultur
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Die Jastorf-Kultur ist eine nordmitteleuropäische archäologische Kulturstufe und Kulturgruppe aus der Zeit von etwa 600 v. Chr. bis zur Zeitenwende (vorrömische Eisenzeit), die als Vorgängerkultur der Elbgermanen angesehen wird. Benannt wurde diese Kultur durch den Prähistoriker Gustav Schwantes nach dem Urnengräberfeld von Jastorf beim Ort Jastorf (Landkreis Uelzen) in Niedersachsen.
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Die früher vermutete Einwanderung aus Dänemark und Südschweden (Skandinavien) ist überholt. Wahrscheinlicher – nicht zuletzt auf Grund der Gewässernamen (Hydronymie) – ist ein Ursprung zwischen Harz und Eider. Mit der keltischen La-Tène-Kultur ist ein starker kultureller Austausch nachgewiesen. Gegen 500 v. Chr. erreichte die Kultur das heutige Thüringen, den Niederrhein und Niederschlesien.
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Die Jastorf-Kultur und ihre zeitliche Entsprechung in der vorausgehenden nordischen Bronzezeit werden als germanische oder vorgermanische Kulturen angesehen. Die Nordische Bronzezeit bildet eine eigenständige Kultur während der gleichzeitigen Existenz der nördlichen Urnenfelderkultur, die aus der zentralen Urnenfelderkultur hervorging.
Die nördliche Urnenfelderkulturbeziehungsweise Hügelgräberkultur (Tumulus-Kultur) war die vorgermanische Kultur der späten Bronzezeit.
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Das chronologisches Gerüst und die zeitliche Parallelisierung mit den gleichzeitigen Süd- und mitteldeutschen Kulturen stellt sich folgendermaßen dar:
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600 – 500 v. Chr. Jastorf A entspricht Hallstatt D
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500 – 400 v. Chr. Jastorf B entspricht Latène A
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400 – 350 v. Chr. Jastorf C entspricht Latène B
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350 – 120 v. Chr. Ripdorf entspricht Latène C
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120 – 0 v. Chr. Seedorf entspricht Latène D
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Gefunden wurden bisher hauptsächlich Bestattungen mit Hügelgräbern, Flachgräbern und Brandgrubengräbern. Grabbeigabenwaren selten und dann eher ärmlich, Waffenbeigaben fehlen ganz.
Siehe auch: Brandgräberfeld von Mühlen Eichsen
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Die Forschung betrachtet die Jastorfkultur als Basis der aus ihr hervorgehenden germanischen Stämme und der germanischen Sprach- und Kulturgemeinschaft. Das Fundgut zeigt bereits eine gewisse Differenzierung, die sich in Kleidung, Schmuck und Keramik manifestiert.
Der 16-jährige Gustav Schwantes entdeckte im Sommer 1897 in der Heitbracker Heide beim Jastorfer Moor einen unberührten Urnenfriedhof, den er mit seinem Bruder und zwei Freunden ausgrub. Die 42 gefundenen Urnen mit ihrem Inhalt aus Eisen- und Bronzeteilen brachte er in das Naturhistorische Museum Hamburg, wo sie der Latènezeit zugeordnet wurden. Schwantes bemerkte, dass sich die Beigaben seiner Urnen von den Fundstücken des Museums erheblich unterschieden. Auch weitere von Schwantes im Herbst 1897 und den folgenden Jahren entdeckte Funde auf dem Urnengräberfeld von Jastorf auf einem Sandfeld nördlich von Jastorf an der Ilmenau zeigten diese Abweichungen. Dort wurden im Verlauf einiger Jahre 160 Gräber mit Urnen gefunden. Durch die Unterschiede geriet die bis dahin geltende Theorie ins Wanken, dass das Eisen erst durch die keltische Latènezivilisation nach Nordeuropa gelangt ist. Schwantes stellte fest, dass die Jastorf-Kultur schon vor der Latènezeit begonnen hatte, was der Prähistoriker Carl Schuchhardt 1935 als wissenschaftliche Leistung würdigte. Schwantes untersuchte noch weitere Urnenfriedhöfe im nordöstlichen Niedersachsen. Das umfangreiche Fundmaterial ermöglichte es ihm, die Jastorf-Kultur zeitlich in drei Stufen (Jastorf A, Jastorf B, Jastorf C) zu unterteilen.
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Jochen Brandt: Jastorf und Latène. Kultureller Austausch und seine Auswirkungen auf soziopolitische Entwicklungen in der vorrömischen Eisenzeit (= Internationale Archäologie.Bd. 66). Leidorf, Rahden 2001, ISBN 3-89646-338-1 (Zugleich: Kiel, Universität, Dissertation, 2000).
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Ernst Andreas Friedrich: Ein Sandfeld bei Jastorf in: Wenn Steine reden könnten. Aus Niedersachsens Geschichte. Band 2. Landbuch-Verlag, Hannover 1992, ISBN 3-7842-0479-1, S. 21–23.
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Wiebke Künnemann: Jastorf – Geschichte und Inhalt eines archäologischen Kulturbegriffs. In: Die Kunde. NF Bd. 46, 1995, ISSN 0342-0736, S. 61–122.
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Jes Martens: Jastorf and Jutland In: Brandt, J. & Rauchfuss, B. (red.): Das Jastorf-Konzept und die vorrömische Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa. 2014, ISBN 978-3-931429-23-2, S. 245–266. (Online, englisch)
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Rosemarie Müller: Jastorf-Kultur. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 16, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2000, ISBN 3-11-016782-4, S. 43–55.
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Herwig Wolfram: Die Germanen (= Beck'sche Reihe 2004 C. H. Beck Wissen). 4. Auflage. Beck, München 1999, ISBN 3-406-44904-2.
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Eisenzeit. Die Germanen in Niedersachsen (Memento vom 20. Dezember 2014 im Internet Archive)
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↑ Heinrich Beck, Heiko Steuer, Dieter Timpe (Hrsg.): Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Germanen, Germania, germanische Altertumskunde. = Die Germanen.Studienausgabe, 2., völlig neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage. de Gruyter, Berlin u. a. 1998, ISBN 3-11-016383-7, S. 145, Schraffur im Original durch Farben ersetzt.
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↑ Wolfram: Die Germanen. 4. Auflage. 1999.
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Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Jastorf-Kultur
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